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16
Dezember
Skulls and Bones
16. Dezember, Wien
Zugegeben, es gibt schickere Cafes in Wien, originellere und auch schmutzigere. Aber eines ist eine Tatsache: Nirgendwo stinkt es mehr. Zumindest fuer die, die nicht jeden Tag dort verbringen und deren olfaktorische Epithelien noch nicht gegerbt sind von dem exklusiven Geruchscocktail, der die Luft dieser einzigartigen Lokalitaet schwaengert. Es ist dieser subtil makabere, gepflegte Geruch von Formalin mit Phenol. Kein grausiger Geruch im engeren Sinne, aber einer, den man mit Medizin wohl immer in Verbindung bringen wird. Auch in Zukunft, wenn dafuer eigentlich bald gar kein Anlass mehr bestehen wird. Ich sitze hier in der noch uebersprudelnden Cafeteria des Anatomischen Instituts in der Waehringer Strasse 13. Absolvent des letzten Sezierkurses der Geschichte der oesterreichischen Medizin. Der neue Studienplan sieht das Wuehlen in den sterblichen Überresten von Mitbuergern, die ihre Koerper der Ausbildung verschrieben haben, nicht mehr vor. Irgendwie ein Ort mit Historie. Als mein Vater hier in den Jahren des Dritten Reiches studierte, fielen die vielen kopflosen Leichen auf. Koepfe, die fuer den Widerstand gefallen waren. Heute ist die Cafeteria ein Ort des Friedens. Verraucht, irgendwie ungemuetlich, irgendwie liebenswert. Die selbe Dame an der Ausschank, Tag fuer Tag. Sie kennt die Gesichter der Studenten, jungen Burschen laechelt sie gerne laenger zu. (Zu ihrer Freude gehoerte Dominik auch zu den Stammgaesten hier, denn er besuchte mich oefters waehrend des Kurses.) Nun, die Trinkgelder hier sind mager. Es gibt Bier vom Fass. Schlechtes. Aber man darf es sich selber zapfen. Weisser Spritzer 1,20 Euro. Schinken Kaese Toast. Auf der Wandtafel sind zwar mehrere Speisen angepriesen, aber keiner der Studenten traut sich ueber den Toast hinaus. Haute Cuisine wird hier nicht angeboten, aber dafuer die Moeglichkeit Frust, Stress und Zorn am Ort seines Entstehens in Alkohol zu ertraenken. Hier sitzen Studenten und Demonstratoren, Pruefer und Gepruefte zusammen und es herrscht friedliches Nebeneinander. Betont muss hier werden, dass sich nicht nur Mediziner hier einfinden. Der Flair dieses Ortes zieht auch Angehoerige anderer Fakultaeten an. Wo sonst liesse sich besser ueber Leben und Tod philosophieren? Jo Anatomisches Institut Waehringer Strasse 13 1090 Wien
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