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02
Mai
Zur eisernen Zeit
17. 2. 2004, Wien
Würde ich von einem Moment auf den anderen den Verstand verlieren, würde ich diesen nächsten Trebenschnaps in mich leeren und würde noch ein einzig weiteres Wort mit dem Nachbarn meiner Unwahl wechseln, dann gäbe es kein zurück mehr: ich wäre Henry Miller im Barbie-Outfit, irgendwo in der Nähe der Sezzesion, Taxilizenz und Allwetterhut, Samtzähne und den Mittelfinger tief in meinem After. So kann es passieren, oder seltsam, aber so steht es geschrieben. Das Atmen fällt mir leicht, ich kann es, obwohl ich mich konzentrieren muss, um das speerspitzenartige Umfeld zu fokussieren. Der Mikrokossmos einer heruntergekommenen Welt fokussiert mich, er zieht mich an, er will mich.Ich könnte überall sein, außer hier. Ein Streifen Nachmittagssonne zieht eine Nebelstrasse durch den runden Raum, eindimensionaler Gestank von Freiheit, der sich im 60Grad Winkel dem Boden nähert und dort Endstation macht. Es gibt kaum noch Vergleichsstrategien, und nur eine gemeinsame Hoffnung. Man nennt es "the first Pub on the Market", man könnte es auch "the only Pub on Earth" nennen. Ich nenne es jetzt so. Ich nenne jetzt die ganze Welt das einzige Pub auf Erden. Ich habe den Schanps verschluckt, es sieht aus, als wäre ich einer Audiwerbung für Fahrradfahrer. Es ist "Die Eiserne Zeit". Hier trinke ich Murauer und Trebenschnaps, hier esse ich Würstel im Saft, hier verliere ich im Schnapsen und zahle einem wildfremden Filmkenner ein "Seidl mit Beistrich", hier kann ich mich selbst zitieren und so tun als spräche ich von der göttlichen Komödie. Ich lasse nichts auf mir sitzen und bleibe. Philipp Traun

Zur eisernen Zeit
Naschmarkt 316-320
A-1040 Wien
Tel. +43(1)5870331

 
 
24
Oktober
Passage
Ein guter Club bewegt sich wie ein Unterseeboot durch die Nacht. Alles steht und fällt mit der Mannschaft, jeder ist verantwortlich, man teilt schließlich etwas. Nun gibt es in jeder Stadt Leute, die ein so viel interessanteres Leben führen, als man selbst: Finissage, Lokaleröffnung, meist danach noch eine Premierenfeier und dann eben zum Passage-Opening. Der Raum ist völlig durchdesigned, mit freundlicher weißer Gummizellenpolsterung ausgekleidet und eben randvoll mit eben diesen Leuten. Die sind aber, trotz offensichtlicher finanzieller Unabhängigkeit, nicht randvoll, weil der Vodka Redbull fröhliche 9 Öre kostet. Und während man das verarbeitet, beziehungsweise die ersten Hochrechnungen anstellt, verschwindet der Barmann erst mal mit dem 10 Euroschein, um sich am anderen Ende der Bar mit irgendwem zu unterhalten. Nachdem klar ist, daß der nicht wiederkommt sucht man sich eine Ecke zum tanzen. Das ist gar nicht so leicht ist, denn das Openingpublikum hat sich viel zu erzählen und missbraucht den Tanzplatz als Bar. Letztendlich findet sich dann doch etwas Passendes um die gute doch zaghafte Musik zu feiern. Die junge Dame gegenüber hat jedenfalls eine ganz hinreißende Art den Kopf beim Tanzen zurückzuwerfen, was trotz öfterer Wiederholungen und vermutetem Kalkül gut kommt. Das Zuckerbrot der Musik drinnen und die Peitsche des Schnees draußen halten mich noch eine gute Weile bei der Stange, bis ich dann gegen vier mit nassen Schuhen durch diese erste Winternacht stapfe. Nico

passage
Burgring Ecke Babenbergerstrasse
1010 Wien

 
 
12
Juni
Logorrhoe im Volksgarten
Dienstag 11. Juni 2003, Wien "Das war wirklich ur lustig im Pavillion, weil da war der Johannes und der Muckmuck, die Karina, und ihre Freundin, wie heißt sie schnell, is ja wurscht, die war auf jeden Fall auch da, ich glaube ich hab mir ihre Email aufgeschrieben, der Klacksi und der Kracksi, die sind voll witzig zu zweit, die Reden immer so im Dialekt miteinander, echt v-o-l-l lustig, die Gabi, der der Kracksi total nachsteigt, dabei hat sie ihm schon tausendmal gesagt, dass sie nichts von ihm will, ab er ich glaub der is verknallt, und checkt ur nicht ab, dass sie nichts will, dann war da Hoidl dort mit seiner Freundin, der blöden Tussi, die sind aber immer an der Bierbar gestanden und haben über irgendeinen Scheiß geredet, wahrschienlich gings wieder um die Schnuppe, die den Hoidl immer so blöd vor seiner Freundin anredet, wegen irgendeiner Geschichte, die vor circa drei Wochen war, geh bitte, drei Wochen, aber mir is eh voll Recht, weil ich die Freundin vom Hoidl voll blöd finde, die checkt nicht, dass Miniröcke voll out sind, und verschränkt immer die Beine so gschissen, dass es jeder sehen kann, fast bis hinauf, voll tussig, ich weiss überhaupt nicht, was da Hoidl von der will, der ist nämlich voll nett, obwohl alle immer sagen, dass er den ur Haller hat, weil er sich ständig mit irgendwelchen Typen anlegt, voll ohne Grund, nur um Aufzufallen, glaube ich, aba nett is er trotzdem, fesch auch, wie ich ihm Hallo gesagt hab, da hat er mich mit dem urkomischen Blick angeschaut, echt urkomisch, mit so komischen Augen, wie in Ghost, weißt eh der Film mim Patrick und der Demi Moore, Ghost, wo sie sich wieder sehen am Ende, oder wars am Anfang, eh egal, auf jeden Fall ungefähr so, der Hoidl is wirklich ur süß, ich hab das eh gleich da Klupsi gesagt, die hat aber nur blöd geschaut, weil sie selber auf ihn steht, glaube ich, ich seh das, wenn jemand auf jemand anderen steht, voll easy, die Klupsi war ma dann eher wurscht, außerdem weiß ich genau, wenn ich der zu viel erzähl, weiß gleich jeder alles von mir, wie einmal, da habe ich so voll erwischt beim Schmusen mim Zuppi, der aber gerade mit der, ah Dingsi, mit der Wulla zusammen war, ......was? .........Na die Wulla, die immer mit ihrem Hund überall hingeht, der ur süße Hund, wie der Hund aus Lessie halt, mim Zuppi hat die blöde Kuh geschmust, das darfst du aber echt nicht weiter erzählen, das ist voll geheim, wenn die Wulla das checkt, dann is voll aus zwischen denen, echt voll geheim, da Zuppi is schon voll auf ihr drauf gelegen und sie hat ihre Hand ur in seiner Hose gehabt, ur lustig gell, wahrscheinlich hat er den ur Steifen gehabt, sie war aber auch ur geil auf ihn, echt ur geil, die hat ihm ständig irgedetwas ins Ohr geflüstert, ich habs nicht hören können, weil es war ein bischen winding, es hat dann eh geregnet, voll scheiß Abend, da Hoidl war auch nicht da, mir war dann eh irgendwann fad, und Zigaretten waren auch aus, also bin ich weg, zur Bar, wo der Exfreund von da Klupsi war, da Juice, die Weichbirne, is halt blöd herumgestanden an der Bar, und hat geschaut, voll bekifft, ich habs ihm natürlich gleich erzählt, und ein paar Tage später hör ich, dass die Klupsi herumerzählt, dass ich die ur Spannerin bin, Oaschloch gell....... was........ du mußt aufhören...... echt triffst den Joeboe............... stehst auf den, oder warum triffst du ihn jetzt uroft.......... eh nich, oder was............ da Joeboe is doch der DJ, der immer an Dienstag im Roxy auflegt........ aso am Freittag im B52, dann meine ich vielleicht den Gojoe, aber der legt am Montag immer im Schikaneder auf, voll keine Ahung von was du gerade redest....... mußt jetzt echt gehen, oder was.................... OK, war ur lustig mit dir quatschen........ ja super, also dann Ba-Ba..............................
Blöder Kuh!" Phillipp Traun

Techno Cafe, Dienstags im
Volksgarten Pavillion
1010 Wien

 
 
08
April
Vor ein paar Wochen in Wien
Mit dem Kind, das nicht meines ist, am Arm steh ich in dem Geschäft und schaue entzückt in den kleinen Raum, der voll ist mit Orangen und ich meine voll mit duftenden Orangen. Ich kann gar nicht reingehen in den Raum, also steh ich davor, entzückt.
Der Nino hat die vielen Orangen aus Sizilien geholt und davor hat die Franziska den Nino aus Sizilien geholt und jetzt haben sie den Laden und Emilia, die ich am Arm halte und die mich mit großen braunen Augen ansieht. Und hier wird sie aufwachsen, in diesem kleinen Stück Sizilien, zwischen dem köstlichsten Olivenöl und den besten Orangen der Welt ! sag ich euphorisch in Superlativen und stelle mir ein kleines Mädchen mit langen braunen Haaren vor, das mit italienischem Akzent die Kundschaft bezaubert.
Der Nino verschwindet irgendwie hinter dem Orangenberg und kommt mit einer Handvoll Süßigkeiten wieder, von denen ich ständig vergesse, wie sie heißen (Torroncino?). Sie sind in buntes Papier gewickelt, sind weich und mit Nüssen drin. Ich hab dauernd den Mund voll, das Kind auf meinem Arm hat leider noch keine Zähne. Der Nino überlegt sich, welche Ware er in welches Regal räumen wird. Er hat die Regale selbst gebaut und auch die zwei Schiebetüren und überhaupt haben sie alles allein gemacht und ich bin ehrlich beeindruckt.
Dann geb das Kind seiner Mutter zurück, weil die Franziska mit ihrer Zigarette fertig ist und ich jetzt dran bin mit rauchen. Wir überlegen, wo man eigentlich Wurstpapier kauft, wenn man eins braucht.
Ein paar Tage später haben sie dann tatsächlich eröffnet. "Was heißt eröffnet, wir haben einfach ... aufgemacht und angefangen." Sagt die Franziska und grinst. Mit dem Medizinstudium ist sie längst fertig und jetzt erklärt sie mir, was man alles mit den Mandeln in Orangenblütenhonig machen kann. (Im Zweifelsfall einfach mit dem Löffel aus dem Glas essen.)
In dem Raum, der so voll war mit Orangen kann man mittlerweile schon sitzen und Kaffeetrinken und plötzlich ist der Laden voll mit Menschen. Ich komm dann ein bisschen später wieder, wenn die Franziska und der Nino dichtmachen, dann setzen wir uns zwischen Orangen, Käse und Olivenöl und wundern uns ein bisschen, wie das Leben geworden ist. Thesi

Crupi
Margaretenstraße 3
1040 Wien

 
 
07
März
Liebes plexy!
Hab mir schon sehr lange gewunschen, etwas zu diesem Forum beitragen zu dürfen. Ich glaube letzten Donnerstag ist auch endlich was wahrhaftig erwähnenswertes passiert, und das geht so:
Flo, mein ältester bester Freund, lädt mich vor zwei Monaten zu einem interessanten Rockkonzert ins Wiener Stadtbahnlokal "Chelsea" ein. "Mondscheiner", eine bis dato mir unbekannte Band, sollen auftreten. Also leg ich mir am besagten Donnerstag Abend das alte Lederheidl (Lederjacke) meines Vaters an, bitte Csucsu, meine allerliebste Freundin, sich hübsch zu machen und breche auf.
Im Chelsea angekommen inspiriert mich das Ambiente ganz selbstverständlich zu einem feinen Guinness. Da ich dort Stefan, einen Kumpanen aus mittäglichen Kaffeepausen im Glaser, antreffe, sogar zu einem zweiten, um gleich mal für die kommende Darbietung vorzuglühen!
Die Pforten zum großen Konzertsaal werden geöffnet und ich nehme mein bereits zu diesem Zeitpunkt Drittes (Guinness natürlich) mit hinein, ...." Nur für alle Fälle." Endlich kommen "Mondscheiner" auf die Bühne.
Es fällt mir gleich der Sänger (Manuel Rubey) ins Auge, er ist unglaublich fesch und sehr zurückhaltend, zugleich aber souverän und hat von Beginn an das Publikum in der Hand. Das Bühnenbild ist perfekt, die Kombination von Cello, Schlagzeug und Elektrik Guitar sind allein schon ein Blickfang. Von diesen Eindrücken befangen, lausche ich nun den musikalischen Kreationen..... bei den ersten sechs Liedern handelt es sich um die Präsentation des neu erschienenen Albums ("Die Kunst der Verführung"); Bis dahin überzeugen vor allem die Texte bzw. unglaublich fein abgestimmte Keyboardklänge (Boris Fiala) mein Gehör. Während des sechsten Liedes sieht man plötzlich eine als Mond verkleidete Gestalt auf die Bühne schreiten; er bringt huckepack, augenscheinlich ein neues Bandenmitglied (Stefan Laczkovics, Gitarre) auf die Bühne. aus vieren wurden nun fünf (die genannten, Heimo Korak, Drums, und Karl Kühn am Bass), und diese fünf heizen ab diesem Zeitpunkt auch mächtig ein. Lieder wie "Menschmaschine" bzw. "Subkultur" treffen absolut den Nerv unserer Generation. Au!
Gleich drei Zugaben bescheren uns Mondscheiner, mein Guinness wurde inzwischen ungenießbar warm, zum Glück hatte Flo noch einen Schluck von seinem frischen Großen für mich übrig....... Ein gelungener Abend. Gergely

Chelsea
Lerchenfelder Gürtel
Stadtbahnbögen 29-31
1080 Wien

MONDSCHEINER

 
 
16
Februar
Starpower. Leiwand.
16. Februar 2003, Wien
Gestern Roxy. Dunkle, plüschige Bar. Draussen klingeln müssen, oder urgeheimen Code kennen und so. Fette Beats im Keller. Wen habe ich getroffen? Moritz Bleibtreu. Kreischen bis zur Ohnmacht? Keineswegs. Roxymädels sind cool. Sie würden keine Miene verziehen, selbst wenn es Ihnen die nass die Schenkel runterläuft. Ausserdem habe ich den Moviestar im Bankfoyer getroffen, beim Geldholen, und er hat nicht gewusst wie man wieder rauskommt. Nicht im Club. Dort hätten Sie einen wie den gar nicht reingelassen. Keine Kohle, keine Ahnung und viel kleiner als auf der Leinwand. Bleibtreu ist wahrscheinlich retour ins HotelTriest - Jungschauspieler und Popstars haben nämlich in allen anderen Hotels in Wien Hausverbot- und ich zurück ins Roxy. Ich bin natürlich nicht allein nach Hause, dank Starpower. Wahnsinn wie das Zeug abfärbt. ELM

Foxi Roxy
jeden zweiten Samstag im
Roxy
Faulmanngasse 2
1040 Wien

Das Triest
Wiedner Hauptstrasse 12
1040 Wien

 
 
04
Februar
......
4. Februar 2003, Wien
Kennen wir nicht alle das Gefühl endlich etwas hinter uns gebracht zu haben, das einen ein ganzes Jahr verfolgt hat, einem wie eine schwere Last auf den Schultern gehangen ist??? Ich für mich habe das grade hinter mich gebracht. Und was für ein Gefühl. Endlich beruhigt in einen Abend gehen, dessen Ende man nicht schon am Anfang sieht. Und wohin lockt ein solcher Abend?? Ich weiss es beim besten Willen nicht. Geendet lzur Abwechslung wiedermal aber im Leopold bin ich. Zu mehr als nur guter Musik in einer angenehmen Runde einen Cocktail nach dem anderen trinken und wieder weiter der zu guten Musik lauschen - lauschen, wie sehr ich dieses Wort ungern habe......
Auf alle Fälle verrückt herumsitzen, reden, trinken und was man noch so will. Nette Kellner, immer wieder vergesse ich es zu erwähnen. Auch recht schnell, kaum zu glauben und das in Wien....immer wieder für ein nettes Gespräch zu haben, ja ja die Kellner. Nette Leute...
Auch für Zitrusfreunde. Ja die Zitrusfreude...., in jedem fruchtigen Cocktail ein leichter Spritzer der sauren (gefährlichen) Mischung. Man stolpert immer wieder über sie....und wie heisst es doch so schön, sauer macht lustig(?)....nun ja der Whiskey Sour, wie auch der Planters Punch, nur weiter zu empfehlen....Antonius
Café Bar Leopold
Museumsquartier

 
 
Ein Bayer in Wien
4. Februar 2003, Wien
Doppelter Windsor-Knoten
„Hier schau her! Ich kann mir die Krawatte binden! Doch hoppala. Jetzt könnte sie mir in den Cafe hängen; es sei denn…Ja, es sei denn, ich stecke sie flink zwischen die Knöpfe in mein Hemd!“ Was mein Kellner wirklich denkt und ausdrücken mag, weiß ich natürlich nicht sicher, aber das er mir mit dem Satz „Entschuldige, was wolltest du noch mal?“ entgegentritt, damit habe ich fest gerechnet. Mich wundert es nicht mehr. Denn es ist ein harter Job, Kellner zu sein, Kellner im Stein. Die Umstände sind denkbar ungünstig: Über drei Stockwerke, verwinkelte Ecken, zum Teil weitläufig, zum Teil uneinsehbar breitet sich das Lokal aus; modern eingerichtet, aber mit der nötigen Patina versehen, die Gedanken, es handle sich um einen dieser kurzlebigen In-Tempel mit noch kürzerem Zuspruch, gar nicht erst aufkommen lässt. Nein, hier ist man wirklich In. Alles voller schöner Menschen, die wohl auch irgendwann reich sein werden, wenn sie ihr Studium an der Uni gegenüber abgeschlossen haben. An der Decke steht Kunst (oder so) in den Putz geschrieben, an den Wänden hängt sie. „Ist der kleine Braune für Dich?“. „Nein, ich wollte einen Verlängerten schwarz.“, antworte ich. Der arme Kerl ist gestresst. Schließlich ist es kein Zuckerschlecken, den optischen Anforderungen des Ladens und der Gäste gerecht zu werden, sich elegant, Souveränität ausstrahlend, zu bewegen und dabei sämtliche Bestellungen im Kopf zu behalten. Mein Cafe kommt, eine erbärmliche, lauwarme Pfütze. Doch das Styling stimmt. Und der Cafe wird seine Wirkung tun, ich werde auf das elitäre Häusl gehen, mich freuen, mit wie viel Liebe zum Design man dort ein die ganze Wand bedeckendes Edelstahl-Pissoir hat einrichten lassen, mir dort die Schuhe besprenkeln, und hoffen, dass die schönen Menschen da draußen es als kleines Malheur beim Händewaschen annehmen können. Stefan Brunner

Café Stein
Währinger Straße 6-8
1090 Wien

 
 
07
Jänner
Käse
7. Januar 2003, Wien Esse mein viertes Emmentalerbrot.
Meine Freundin erzaehlt mir einen ihrer netten Traeume, in dem sie mit George Clooney, als Cop verkleidet, in meiner Badewanne sitzend ein auf meinem Alibert brütendes Huhn anstarren. Sie lacht. Mein fünftes Emmentalerbrot.
"Das ist doch nicht normal."sage ich,"Ich träume doch auch nicht, dass ich mit Judy Garland Hand in Hand vom Dreier im Döblinger Hallenbad springe während mir ein beschissener Gockel dabei zu sieht!". Sie beißt in die Mitte meines selbst gemachten Käsebrots, sodaß nur der unbelegte und trockene Teil zurück bleibt. Sie grinst.
Ich nehme sie an ihrem rechten und linken Ohr, nähme ich nur das linke oder nur das rechte würde es aufgrund ihres Körpergewichts reissen, und zerre sie durch meine 45qm Wohnung. Ich nehme ihren Mantel vom Haken, wickle diesen um ihren, wegen der Schmerzen, hochroten Kopf und ziehe sie so Haut und Haar über die Schwelle und schliesse die Türe.
Ich denke kurz darüber nach, was ich da eben tat. Frage mich ob es nötig war so hysterisch (und gleichzeitig sehr kreativ) zu reagieren. Kein Emmentaler mehr da. Sie hat mein letztes Stück Emmentaler gefressen. Es war nötig.
Schnell laufe ich zur Tür. Sie liegt noch immer da, mit dem Mantel um ihren Kopf, weinend zugleich Hilfe schreiend, vor Schmerzen sich krümmend. Ich verpasse ihr einen gezielten Tritt in den Oberschenkel.
Beim Zielpunkt ums Eck kaufe ich einen halben Kilo Gouda. stein

 
 
02
Jänner
Hader werden
1. Februar 2003, Wien
Ich gehe jetzt gleich hin. Weil ich überhaupt viel Zeit dort verbringe. (Um das Leben zu meistern, tue ich es gerne ritualisieren).
Auf dem Weg zum Rüdigerhof gibt es einen Hundezwinger. Da ist immer viel los; aber die Hunde sind eingesperrt folglich muss ich mich nicht fürchten. Auf dem Weg zum Rüdigerhof muss immer daran denken, dass vielleicht Josef Hader dort sitzt. Tut er nämlich oft. Will aber seine Ruhe haben. Ich denke, auf dem Weg zum Rüdigerhof, dass ich auch meine Ruhe haben werde wollen, wenn ich dann berühmt bin. Man darf sich also nicht erwarten, dass der Hader dann viel redet. Er sitzt. So wie die anderen auch. Ganz normal halt. Einmal hat der Thomas Mauerer mit ihm reden wollen, aber der Hader hat auch das nicht wirklich wollen.
Der Kellner heißt Mentor und er schaut auch ein bißchen so aus wie einer. Er kommt aus dem Kosovo und lebt im Hier und Jetzt. Ich merke es daran, weil er sich alle paar Minuten in eine neue Frau verliebt die gerade durch die Türe hereingekommen ist. Den satz mit der Türe habe ich eingefügt, um eine schöne Brücke zur Architektur dieses Wiener Kaffehauses herzustellen. (Das ist mir noch von meiner Deutschlehrerin geblieben. (Ob die auch in den Rüdigerhof geht? - Das wäre dann eine Meta-Brücke)) Also: Es wurde von einem Otto Wagner Schüler erbaut, dessen Namen ich nicht behalten habe, was aber wurscht ist, weil es eh so ausschaut, als hätte es der Wagner gemacht. Das Fassbier ist eines der besten Wiens und die Gläser in denen es serviert wird mag ich auch. Und der Kaffe ist sowieso gut, aber das ist ja eigentlich Pflicht in Wien. Aber am schönsten ist es im Sommer im Garten zu sitzen.... wenn die U-Bahn vorbeibraust und es ein bißchen in mein Bier regnet ( was nichts macht, ! weil es ja Sommer ist) und Josef Hader ein paar Tische weiter irgendetwas auf ein Papier schreibt, dann kann ich mir eigentlich nicht viel schöneres vorstellen. Manuel Rubey
Rüdigerhof
Hamburgerstraße 20
1060 Wien

 
 
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