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Juli
Lasses Abgang im Skansen
15. Juli 2003, Stockholm

Als wir in Stockholm ankamen, tat sich ein Zeitloch auf. Geschmückt mit Glitzer und Vokuhilas. Man muß sich das so vorstellen, daß es Blubb macht und man dann eine große Blase betritt und alle Leute anders aussehen. Dort, wo sich Meer und See zusammenstoßen, stellen wir das Auto ab. Dort bleibt es auch stehen: Mitten in den 80'ern. Doch mehr dazu später.
Wir treffen Johanna im Kungstradgarden, einem lebhaften Park, der in etwa an den Volksgarten erinnert. Wir nehmen das Boot zur gegenüberliegenden Insel. Skansen heißt das Ziel und ist so ein bißchen das, was rauskommt, wenn man viel Grünfläche hat und weniger Ideen. Johannas Augen funkeln oder eiseln, Wurscht, blau sind sie, nordisch und ein bißchen Phantasie hat man halt immer...
Am "Hauptplatz" im Skansen ist eine große Bühne aufgebaut und mehrere Heißluftballons steigen in die Luft. Unfaßbare 10.000 Leute sind hier, die meisten unter 20 und trinken soft drinks und singen respektvoll und auch ein bißchen enthusiastisch für den letzten Fernsehauftritt ihres Idols, Lasse Berghagen, einem Ebenbild Karl Moiks. Mit Liederbüchern in der Hand wird der kurze Sommer besungen, und das Engelsreich, in dem alle glücklich seien. Auf Schwedisch.
Zu guter Letzt noch das Lieblingslied Johannas, eines über Stockholm, und wie schön es im Frühling sein kann. Diese Generalprobe für den heutigen Abend wiederholt sich schon das zweite Mal. Ich pack es überhaupt nicht mehr und verliere im vermeintlich gemütlichen Angesicht soviel versammelten Stumpfsinns sogar meine ursprüngliche civilisatorische Mission im fernen Skandinavien aus den Augen.
Die eigentliche Show läuft dann so ab, daß die vorher eingeübten Lieder von den Konzertbesuchern nachgesungen werden, die ein Liederbuch in der Hand halten. Es treten Leute à la Hansi Hinterseer auf. Des Schwedischen nicht mächtig, grölen wir auch mit, was die Fanfamilien zu unserer Linken und Rechten ein bißchen weiter wegrücken läßt. Und weil ich so schlau war, haben wir uns noch den Top-Platz bei der Bühne gesichert, wo es kein Entrinnen gibt. Das ist nämlich so, daß vorne eigentlich nur die eingefleischten Fans zu finden sind, die durch halb Schweden fahren für diesen einen Abend. Die meisten haben auch kleine, sehr schwedische Kinder mitgebracht, die sie solcherart auf das spätere, harte Leben vorbereiten. Schließlich neigt sich der Abend um 9 Uhr dem Ende zu, wie es halt gute Konzerte so an sich haben. Heißluftballons steigen auf. Sobald die Kameratürme abgebaut werden, könne man die Sau richtig rauslassen, meint Lasse. Da eine Band namens The Ark, die aussieht wie die verunglückten Hybride von Roxette und ABBA schon in den Startlöchern scharrt, singen noch schnell alle, wie toll sie Stockholm finden und Lasse wird sentimental: Schließlich ist es sein letzter Auftritt nach ca. 200 Jahren Show-Karriere.
Entgeistert ziehen wir von dannen und lassen uns aufklären, daß das alles ironisch war, ein sogenannter sing-along, deswegen die ganzen jungen Leute. Langsam beginne ich Lasse zu verstehen: Ich wäre auch traurig darüber, von 8.000 falschen Fans verarscht zu werden. Wie schnell man doch verdummt, sag ich mir und versag mir gerade noch das zweifelhafte Vergnügen eines der schwulen I love Skansen Leiberln zu kaufen. Wie durch ein Wunder, stimmt auch mein Auto in den ironischen Trauergesang um Lasses letzten Auftritt ein und springt nicht mehr an, an, an. Vielleicht erzähl ich nächstes Mal die Heldensage Björns, des Mechanikers, der in Mokassins auszog, es zu retten. Walter

Skansen, Stockholm

 
 
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