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23
Dezember
airport
23.12.2001, Würzburg
Wenn es hier etwas nicht gibt, dann ist das mit Sicherheit ein Flughafen. Einen Bahnhof gibt es. Dennoch sitze ich im airport. Das mag daran liegen, dass das airport eine Diskothek, der Bahnhof hingegen ein Bahnhof ist. Klischees werden hier hier ohne Umschweife erfüllt. Und da, wo Stereotype zu finden sind, da bin ich zu Hause. In der einen Hand eine Danneman Moods, in der anderen einen GinTonic, gräbt sich mein Hintern in das ausgesessene Polster des Fauteuils, eines, wie es sonst nur in alten Cafehäusern Wiens zu finden ist. Ich habe diesen Platz bewußt gewählt - er war noch frei. Denn hat es im airport erst einmal zwölf geschlagen, sind die Chancen einen Platz, manchmal sogar Eintritt zu bekommen, denkbar klein. Es liegt an der Popularität dieses Schuppens, der bis weit über die Grenzen Frankens bekannt ist. Hier treffen sich die Jungen und die Schönen. Mit den Schönen meine ich die Mädchen, die durchweg reizvoll anzusehen, ihre schweissnassen Körper aneinanderreiben, mit den Jungen meine ich Jungs, die, wie ich, dieses Spektakel zu genüge geniessen können. Sie alle kommen hierher, um bei der Anfahrt in der GattingerStrasse die ganzen Wohnmobile der Professionellen zu sehen, sich zu fragen, was das wohl kosten mag, um später, Sommers wie Winters, in kurzen und noch kürzeren Röcken, engen und noch engeren Tops vor dem airport frierend in einer Schlange zu warten, dann aber endlich zur Musik von zum Teil namenhaften Künstlern wie Sven Väth oder Marianne Rosenberg zu tanzen. Letztere ist kein Spass nicht. Das airport ist zwar der VorzeigeTempel für elektronische Musik mit einem Haufen SpecialActs und regelmässiger LoveparadePräsenz , aber manchmal, an Abenden wie heute, besinnt man sich gerne auf die Basics deutscher Musikkultur. Es ist der 23.12., und das ist Fixtermin für die „Weisse Schlager Weihnacht“. Alle Jahre wieder holt man alte Schlagersänger aus ihren Särgen, stellt sie hier auf die Bühne vor ein Publikum, dass mit Blumen im Haar und mit selbstklebenden Kotletten bestückt aushippt. Und ich geniesse es wieder. Anders als bei den überwiegend basslastigen Veranstaltungen sind die Röcke heute noch kürzer, die Tanzflächen noch voller, der Flüssigkeitsumsatz noch höher. Das ist gut so. Ich schwitze. Die Preise lehnen sich nämlich ebenso an die 70er an, wie die Bereitschaft, sich zu paaren. Ich bin wegen der Preise da. Rede ich mir ein. Doch gleich wie, im Endeffekt geht es mir nur um ein Plätzchen, wo ich mich in Stereotype betten kann. Ich lehne es ab, mir Vorurteile selber mühsam zu erarbeiten. Hier weiss ich, was ich zu erwarten habe. Eine Tanzveranstalltung mit allem was dazu gehört. Security, Warteschlange, aber auch Bass, GoGos, gute Laune und eine Menge die kocht, ich als kleiner Brühwürfel mitten drin. Trotzdem quäle ich mich aus dem Sessel, der Gin ist oben angekommen. Ich werde ins Labyrinth gehen. Das ist auch eine Diskothek, der ich jetzt meine Ehre erweisen werde, weil sie Klischees noch besser erfüllt. Dort sind die Menschen schwarz angezogen, haben die Gesichter weiss geschminkt. Ich glaube, manche essen Kinder. Ja, da gehe ich jetzt hin, in meiner Schlaghose, den Kotletten, der Hornsonnenbrille und dem zitronengelben Hemd mit Spitzkragen, das, bis zum Bauchnabel aufgeknöpft, den Blick auf meine Brusthaartoupet lenkt. Das wird ein Spass. StefanB
airport Würzburg, Gattinger Strasse 17

 
 
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